Ruhezeiten können auch durch Urlaubsgewährung eingehalten werden

Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 01.11.2010 – 17 Sa 968/10

Für den Bereich des ArbZG ist anerkannt, dass Ruhezeiten i. S. d. § 5 ArbZG auch durch Urlaubsgewährung eingehalten werden können. Es besteht kein Grund, tarifvertraglich oder gemäß VO (EWG) Nr. 3922/91 Anhang III, Abschnitt Q, OPS 1.1110 zu gewährende Ruhezeiten wegen Besonderheiten des Luftverkehrs anders zu behandeln (Rn. 14, 15).

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 03. Februar 2010, 15 Ca 8300/09, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

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Die Parteien streiten auch im Berufungsrechtszug darüber, ob tarifvertraglich vorgeschriebene Ruhezeiten und Erholungsurlaub zusammenfallen können.

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Wegen der Darstellung des Sach- und Streitstandes, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort zuletzt gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 91 bis 93 d. A.).

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Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat die Klage durch am 03. Februar 2010 verkündetes Urteil, 15 Ca 8300/09, abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, Urlaubsansprüche könnten auch während tarifvertraglicher Ruhezeiten erfüllt werden. Der Zweck der Ruhezeiten und der Zweck des Erholungsurlaubs schlössen sich nicht gegenseitig aus. Auch während des Urlaubs sei der mit den Ruhezeiten bezweckte Gesundheitsschutz gewährleistet. Die tarifvertraglichen Regelungen würden weder einen Anspruch auf gesonderte Gewährung von Ruhezeiten im Sinne eines eigenständig durchsetzbaren Freistellungsanspruchs bzw. Zusatzurlaubs gewähren noch vorschreiben, in welcher Weise die Einhaltung der Ruhezeiten zu gewährleisten sei. Maßgebend sei allein, dass der Arbeitnehmer während der vorgeschriebenen Ruhezeit nicht zur Arbeitsleistung herangezogen werde. Auch wenn der Arbeitnehmer aus anderen Gründen ohnehin arbeitsfrei habe, sei sichergestellt, dass ihm ausreichend Zeit gegeben werde, sich von den Auswirkungen des vorangegangenen Dienstes zu erholen und vor dem nächsten Flugeinsatz gut ausgeruht zu sein. Auch die Verordnung (EWG) Nr. 3922/91 vom 16. Dezember 1991 zur Harmonisierung der technischen Vorschriften und der Verwaltungsverfahren in der Zivilluftfahrt (in der Folge: VO (EWG) Nr. 3922/91), geändert durch Verordnung (EG) Nr. 859/2008 der Kommission vom 20. August 2008 (in der Folge: VO (EG) Nr. 859/2008), und die Vorschriften der LuftBO enthielten kein Anrechnungsverbot. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 93 bis 96 d. A.).

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Gegen dieses ihr am 01. Juni 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28. Juni 2010 Berufung eingelegt und diese am Montag, den 02. August 2010 begründet.

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Die Klägerin wiederholt und vertieft ihren Vortrag und behauptet, die Beklagte gestalte die Dienstpläne systematisch in der Weise, dass Flugereignisse so zugewiesen würden, dass danach anfallende Ruhezeiten in die Zeit eines bereits genehmigten Erholungsurlaubs fielen. Dementsprechend lasse sie auch keine Requests auf Umläufe zu, nach deren Abschluss die Ruhezeit in die Zeit bis zum Beginn eines bereits festgelegten Erholungsurlaubs gelegt werden könne. Die Klägerin meint, die Beklagte verkürze damit systematisch den Urlaubsanspruch ihrer Kabinenmitarbeiter. Sie vertritt die Auffassung, die Ruhezeitregelungen für das fliegende Personal dienten gegenüber der in § 5 ArbZG geregelten Ruhezeit für Bodenbetriebe weitergehenden Zwecken, nämlich der Sicherheit des Luftverkehrs, und sollten im Sinne der gesundheitlichen Prävention der Besonderheit Rechnung tragen, dass im Flugverkehr zum Teil erhebliche Zeitzonen zu überbrücken seien und Arbeitsbänder im Bereich des Tagesrhythmustiefes anfielen. Ruhezeiten sollten insbesondere gewährleisten, dass ein geregelter Schlaf-Wach-Rhythmus nach der Zeitzone der Heimatbasis beibehalten werden könne. Die Ruhezeiten für Flugpersonal sollten dem Ausgleich der Auswirkungen von Zeitzonenunterschieden dienen und insoweit luftverkehrstypische Belastungen ausgleichen. Anders als die nach § 5 ArbZG zu gewährende Ruhezeit sei die durch die Beklagte gewährte Ruhezeit nach den tarifvertraglichen Bestimmungen wie auch nach der VO (EWG) Nr. 3922/91 durch das Personal auch zweckentsprechend zu nutzen. Die Gewährung von Ruhezeit durch Urlaub verletze die VO (EWG) Nr. 3922/91, führe zu einer Gefährdung des Luftverkehrs und lasse weder einen ordnungsgemäßen Urlaubsantritt noch eine freie Gestaltung des Urlaubs durch den Arbeitnehmer zu. Zweckentsprechende Verwendung der Ruhezeit schließe bestimmte Aktivitäten anlässlich eines Kurzurlaubs aus. Im Anschluss an einen Langstreckeneinsatz könne nicht ordnungsgemäß Urlaub angetreten werden, da der hiernach bestehende besondere körperliche Erschöpfungszustand und der gestörte Wach-Schlaf-Rhythmus eine Urlaubsaufnahme mit den üblichen Urlaubsaktivitäten nicht zulasse. Gewährung von Ruhezeit durch Urlaub schränke die Urlaubsgestaltung ein und verkürze damit den Urlaubsanspruch. Soweit das Bundesarbeitsgericht abstrakt festgehalten habe, Ruhezeiten könnten in unterschiedlicher Form und ggf. auch durch Urlaubserteilung gewährt werden, gelte dies aufgrund der dort bestehenden besonderen Bedingungen nicht für den Luftverkehr. Indem die Beklagte planmäßig die Urlaubsansprüche der Kabinenmitarbeiter verkürze, vereitle bzw. gefährde sie die zweckentsprechende Nutzung der Ruhezeit. Die Klägerin hält ferner an ihrer Auffassung fest, das Verhalten der Beklagten sei mitbestimmungswidrig.

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Die Klägerin beantragt,

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unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 03. Februar 2010, 15 Ca 8300/09, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, in genehmigte Urlaubszeiten fallende Ruhezeiten als Ruhezeiten zu gewähren, die nicht mit dem Urlaubsanspruch verrechnet werden dürfen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie hält unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vortrages daran fest, Ruhezeiten könnten auch durch Urlaubsgewährung eingehalten werden.

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Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.


Entscheidungsgründe

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Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 03. Februar 2010, 15 Ca 8300/09, ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 lit. b ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO.

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Sie ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte kann Ruhezeiten mit Urlaub „verrechnen“; die tarifvertraglich und nach dem durch VO (EG) Nr. 859/2008 und zuvor durch VO (EG) Nr. 8/2008 geänderten Anhang III der VO (EWG) Nr. 3922/91 einzuhaltenden Ruhezeiten sind auch dann gewährleistet, wenn sie in Zeiten des Erholungsurlaubs fallen. Es wird festgestellt, dass die Kammer den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils folgt, § 69 Abs. 2 ArbGG. Im Hinblick auf das Vorbringen in der Berufung ist Folgendes zu ergänzen:

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Für den Bereich des ArbZG ist anerkannt, dass Ruhezeiten i. S. d. § 5 ArbZG auch durch Urlaubsgewährung eingehalten werden können (BAG 13. Februar 1992 – 6 AZR 638/89 – AP AZO § 12 Nr. 13 (noch zu § 12 AZO); Anzinger/Koberski, ArbZG, 2. Aufl., § 5 Rdnr. 25; Schliemann, ArbZG, § 5 Rdnr. 13; Baeck/Deutsch, ArbZG, § 5 Rdnr. 16).

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Diese Grundsätze finden auch vorliegend Anwendung. Es besteht kein Grund, tarifvertraglich oder gemäß VO (EWG) Nr. 3922/91 Anhang III, Abschnitt Q, OPS 1.1110 zu gewährende Ruhezeiten wegen Besonderheiten des Luftverkehrs anders zu behandeln.

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Zutreffend ist, dass für die Klägerin als Besatzungsmitglied von Luftfahrzeugen § 5 ArbZG keine Anwendung findet. Gemäß § 20 ArbZG gelten die Vorschriften über Flug-, Flugdienst- und Ruhezeiten der Zweiten Durchführungsverordnung zur Betriebsordnung für Luftfahrtgerät in der jeweils geltenden Fassung (in der Folge: 2. DV LuftBO), § 20 ArbZG, wobei gemäß § 1 Abs. 2 2. DV LuftBO seit 16. April 2009 bei Einsatz von Besatzungsmitgliedern für die gewerbsmäßige Beförderung in Flugzeugen anstelle der §§ 2 bis 24 2. DV LuftBO die Bestimmungen des Anhangs III (in der Folge: OPS) der VO (EWG) Nr. 3922/91, zuletzt geändert durch VO (EG) Nr. 859/2008 in Verbindung mit der Ersten Durchführungsverordnung zur Betriebsordnung für Luftfahrtgerät (in der Folge: 1. DV LuftBO) in ihrer jeweils geltenden Fassung gelten.

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Entgegen den Regelungen im ArbZG enthalten der MTV Nr. 1 a und die OPS eine Definition des Begriffs der Ruhezeit. Hiernach ist Ruhezeit eine zusammenhängende Zeit von mindestens 10 Stunden, während der ein Mitarbeiter von Dienstleistungen jeglicher Art befreit ist (§ 4, 4. Abschnitt, A Abs. 1 MTV Nr. 1 a, ebenso § 6 Abs. 1 2. DV LuftBO in der bis 15. April 2009 geltenden Fassung), bzw. ein festgelegter ununterbrochener Zeitraum, in dem das Besatzungsmitglied von allen dienstlichen Verpflichtungen befreit und nicht in Bereitschaft auf dem Flughafen ist (OPS 1.1095, Nr. 1.13.). Dies entspricht dem formalen Verständnis des Begriffs der Ruhezeit auch nach dem ArbZG, wonach formal Ruhezeit der Zeitraum zwischen Ende der täglichen Arbeitszeit und Beginn der nächsten täglichen Arbeitszeit bzw. die Zeit zwischen zwei Arbeitsschichten ist (Anzinger/Koberski, aaO, § 5 Rdnr. 5; Baeck/Deutsch, aaO, § 5 Rdnr. 6; Neumann/Biebl, ArbZG, 14. Aufl., § 5 Rdnr. 2; ErfK/Wank, 10. Aufl., ArbZG, § 5 Rdnr. 1). Von daher bestehen keine Unterschiede zum Ruhezeitbegriff des ArbZG, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Der Arbeitnehmer ist auch dann von Dienstleitungen jeglicher Art bzw. von allen dienstlichen Verpflichtungen befreit, wenn ihm Erholungsurlaub gewährt wird.

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Soweit die Klägerin darauf abstellt, die in Anhang III der VO (EWG) Nr. 3922/91 enthaltenen Vorschriften über Ruhezeiten dienten – auch – dem präventiven Gesundheitsschutz, mag dies aus Erwägungsgrund 10 der VO (EG) Nr. 1899/2006 abzuleiten sein und kann als zutreffend angenommen werden (zur arbeitsschutzrechtlichen Zielsetzung der 2. DV LuftBO vgl. BAG 24. März 1998 – 9 AZR 172/97 – AP GVG § 21 e Nr. 4). Wenn Zweck der Ruhezeiten damit – jedenfalls auch – die Sicherstellung der notwendigen Erholung der Personals zwischen zwei Flugdienstzeiten ist, liegt insoweit ebenfalls keine Abweichung gegenüber dem sog. materiellen Ruhezeitbegriff des ArbZG vor. Dieser wird verstanden als die Zeit der Erholung und Ruhe, die Zeit der Regeneration der durch die Arbeit verbrauchten Kräfte, insb. durch ununterbrochenen Schlaf, wobei der Erholungswert der Ruhezeit entscheidend von der freien Verfügbarkeit des Arbeitnehmers über diese Zeit und der Gewissheit abhängt, während der Ruhezeit nicht zur Arbeit abberufen zu werden (Anzinger/Koberski, aaO, § 5 Rdnr. 6). Diese arbeitsschutzrechtliche Zielsetzung der Ruhezeit unterscheidet sich bei Mitarbeitern des fliegenden Personals nicht von der bei Mitarbeitern in Bodenbetrieben. Erholung wird durch frei verfügbare Zeit gewährleistet, innerhalb derer ein Arbeitseinsatz ausgeschlossen ist. Dies wiederum ist auch bei Urlaubsgewährung der Fall. Besonderen Belastungen des fliegenden Personals durch die Dauer des Umlaufs und/oder die Überwindung verschiedener Zeitzonen wird hierbei durch die Dauer der einzuhaltenden Ruhezeit Rechnung getragen, § 4, 4. Abschnitt, A, B und C MTV Nr. 1 a, OPS 1.1110 Nr. 1.3., § 12 1. DV LuftBO.

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Auch Gesichtspunkte der Flugsicherheit gebieten keine andere Beurteilung. Die über die Bestimmungen des ArbZG hinausgehenden Beschränkungen der Arbeitszeit in der Luftfahrt dienen, zumindest auch, der Sicherheit des Luftverkehrs. Die entsprechenden Vorschriften sind damit auch unter dem Gesichtspunkt der Flugsicherheit auszulegen (zu § 9 2. DV LuftBO a. F. vgl. BAG 24. März 1998 – 9 AZR 172/97 – aaO). Grenzen der Anrechnung arbeitsfreier Zeiten auf die Ruhezeiten können sich dabei aus dem Rechtsgedanken ergeben, dass der Arbeitgeber im Luftverkehr für eine effektive Ruhezeit zu sorgen hat. Dies wurde bisher aus § 9 Abs. 6 2. DV LuftBO in der bis 15. April 2009 geltenden Fassung abgeleitet (BAG 21. Januar 2003 – 9 AZR 600/01 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Luftfahrt Nr. 15), ergibt sich aber auch daraus, dass der Luftfahrtunternehmer sicherzustellen hat, dass die Ruhezeiten den Besatzungsmitgliedern ausreichend Zeit geben, sich von den Auswirkungen des vorangegangenen Dienstes zu erholen und zu Beginn der darauf folgenden Flugdienstzeit gut ausgeruht zu sein (OPS 1.1090, Nr. 3.5.), und dass Besatzungsmitglieder die zur Verfügung gestellten Gelegenheiten und Einrichtungen für Ruhepausen bestmöglich nutzen und ihre Ruhezeiten ordnungsgemäß planen und in Anspruch nehmen sollten (OPS 1.1090, Nr. 4.2.). Effektive Ruhezeit und Nutzung zur Erholung wird aber nicht dadurch beeinträchtigt, dass im Anschluss an einen Umlauf Erholungsurlaub gewährt wird. Dementsprechend betrifft das von der Klägerin genannte Beispiel eines Kurzurlaubs mit Interkontinentalflug für eine Städtereise auch nicht die Frage, ob mit einem sog. Kurzurlaub die Möglichkeit einer effektiven Nutzung der Ruhezeit zu Erholungszwecken eingeräumt wird, sondern allenfalls, ob sie vom Arbeitnehmer tatsächlich genutzt wird. Im Übrigen wird die Flugsicherheit, auch unter dem von der Klägerin angeführten Aspekt der Beibehaltung des geregelten Schlaf-Wach-Rhythmus bei der Überbrückung von Zeitzonen anlässlich eines Umlaufs, nicht nur durch die Lage der Ruhezeiten gewährleistet, sondern beispielsweise auch durch die Begrenzung der höchstzulässigen Flugstunden im Jahr und durch die Verlängerung der Ruhezeiten, § 4, 4. Abschnitt MTV Nr. 1 a, OPS 1.1110 Nr. 1.3. (BAG 24. März 1998 – 9 AZR 172/97 – aaO).

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Die Einhaltung von Ruhezeiten durch genehmigten Erholungsurlaub führt weder zu einer Verkürzung des Urlaubsanspruchs noch widerspricht sie dem Zweck des Erholungsurlaubs.

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Der Umfang des Erholungsurlaubs von 42 Kalendertagen (§ 17 Abs. 3 MTV Nr. 1 a) wird nicht dadurch reduziert, dass er zum Teil auch der Einhaltung der Ruhezeiten i. S. d. § 4, 4. Abschnitt MTV Nr. 1 a, OPS 1.1110 dient.

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Mit dem Zusatz „Erholung“ wird zwar nur der sozialpolitische Zweck umschrieben, dem der Urlaubsanspruch dienen soll (BAG 18. März 2003 – 9 AZR 190/02 – AP BUrlG § 3 Rechtsmissbrauch Nr. 17). Seine Entstehung setzt somit weder ein konkretes noch ein abstraktes Erholungsbedürfnis des Arbeitnehmers voraus (BAG 20. Mai 2008 – 9 AZR 219/07 – AP BErzGG § 17 Nr. 12). Unabhängig von einem Erholungsbedürfnis (BAG 28. Januar 1982 – 6 AZR 571/79 – AP BUrlG § 3 Rechtsmissbrauch Nr. 11) hat der Arbeitgeber zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs den Arbeitnehmer von der Arbeit freizustellen und ihm uneingeschränkt zu ermöglichen, anstelle der geschuldeten Arbeitsleistung die ihm aufgrund des Urlaubsanspruchs zustehende Freizeit selbstbestimmt zu nutzen (BAG 20. Juni 2000 – 9 AZR 405/99 – AP BUrlG § 7 Nr. 28). Dies schließt es aber nicht aus, Urlaub zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich erholungsbedürftig ist, im Gegenteil. Weder ist Urlaub ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer wegen bestehenden Erholungsbedürfnisses nicht sofort bei Urlaubsbeginn oder während eines sog. Kurzurlaubs sämtlichen von der Klägerin genannten besonderen Aktivitäten nachgehen kann, noch besteht ein Anspruch, Urlaub, auch sog. Kurzurlaub, bereits in erholtem Zustand antreten zu können und deshalb der Erholung dienende Ruhezeiten vor Urlaubsantritt einzuräumen. Auch insoweit besteht kein Unterschied zwischen Mitarbeitern von Bodenbetrieben und Besatzungsmitgliedern von Luftfahrzeugen.

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Ein derartiger Unterschied kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass die Klägerin tarifvertraglich verpflichtet ist, die Ruhezeit zweckentsprechend zu verwenden, § 4, 4. Abschnitt, A Abs. 2 MTV Nr. 1 a, wie auch die Beklagte nach § 9 Abs. 6 2. DV LuftBO in der bis 15. April 2009 geltenden Fassung (§ 15 Abs. 5 2. DV LuftBO in der ab 16. April 2009 geltenden Fassung findet auf die Klägerin keine Anwendung, § 1 Abs. 2 2. DV LuftBO) verpflichtet war, die Besatzungsmitglieder schriftlich anzuweisen, während der Ruhezeit deren Zweck entgegenstehende Tätigkeiten zu unterlassen. Auch dem ArbZG unterfallende Arbeitnehmer trifft die vertragliche Nebenpflicht, die ihnen gewährte Ruhezeit zweckentsprechend zu verwenden (Anzinger/Koberski, aaO, § 5 Rdnr. 16). Ebenso trifft im Übrigen Mitarbeiter von Bodenbetrieben und Besatzungsmitglieder von Luftfahrzeugen während des Urlaubs zwar keine Erholungsverpflichtung, aber trotz selbstbestimmter Nutzung der Freizeit gleichermaßen die arbeitsvertragliche Nebenpflicht, ihr außerdienstliches Verhalten so einzurichten, dass die ordnungsgemäße dienstliche Tätigkeit nicht unmöglich gemacht wird. Dies gilt auch während des Urlaubs bezüglich der ordnungsgemäßen Arbeitsaufnahme nach Urlaubsende (Neumann/Fenski, BUrlG, 9. Aufl., § 8 Rdnr. 16 m. w. N.).

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Dass den Kabinenmitarbeitern neben dem Urlaub Ortstage zustehen, § 4, 7. Abschnitt Abs. 1 MTV Nr. 1 a, § 8 Abs. 4 1. DV LuftBO, die die Ruhezeiten beinhalten können, § 4, 7. Abschnitt Abs. 5 MTV Nr. 1 a, § 8 Abs. 3 Satz 2 1. DV LuftBO, führt zu keiner anderen Beurteilung. Auch im Geltungsbereich des ArbZG erfüllen arbeitsfreie Sonn- und Feiertage sowie sonstige arbeitsfreie Tage wie zB. Samstage die Voraussetzungen der Ruhezeit. Damit ist noch keine Aussage darüber getroffen, ob Urlaub die Voraussetzungen der Ruhezeit erfüllt. Die tarifliche Regelung stellt, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausführt, ebenso wie § 8 Abs. 3 1. DV LuftBO lediglich klar, dass Ortstage nicht auf Urlaub anzurechnen sind. Entgegen der von der Klägerin geäußerten Auffassung kommt den Ruhezeiten auch keine weitergehende Schutzfunktion wegen an Sonn- und Feiertagen zu erbringenden Arbeitsleistungen zu. Dieser Ausgleich wird vielmehr durch die sog. Orts- bzw. „OFF“-Tage geschaffen.

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Die Gewährung von Ruhezeiten durch Urlaub führt zu keiner finanziellen Schlechterstellung der Klägerin. Wenn die auf Urlaubstage entfallende Schichtzulage nicht steuerfrei ist (Hessisches FG 04. Juli 1991 – 13 K 2597/89 – juris), so gilt dies für sämtliche der Klägerin zustehenden Urlaubstage. Der Umfang des Erholungsurlaubs der Klägerin wird nicht dadurch verändert, dass er teilweise auch die Voraussetzungen der Ruhezeit erfüllt. Dementsprechend ist und bleibt die Schichtzulage für einen Urlaub von 42 Kalendertagen (§ 17 Abs. 3 MTV Nr. 1 a) steuerpflichtig. Der Unterschied besteht vielmehr darin, dass in der Zeit, für die die Klägerin eine steuerfreie Schichtzulage erhält, ggf. mehr Arbeitstage und weniger Ruhezeiten liegen.

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Da Ruhezeiten auch durch Urlaub eingehalten werden können, liegt entgegen der Auffassung der Klägerin auch kein Verstoß der Beklagten gegen Aufzeichnungspflichten, § 55 Abs. 1 LuftBO, OPS 1.1135, vor.

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Soweit die Klägerin auch in der Berufung daran festhält, die Beklagte gestalte Dienstpläne systematisch so, dass tarifvertragliche Ruhezeiten in bereits genehmigten Erholungsurlaub fielen, und lasse Requests auf Umläufe nicht zu, bei denen die Ruhezeit in die Zeit vor Urlaubsantritt falle, und die Beklagte verhalte sich mitbestimmungswidrig, hat das Arbeitsgericht bereits auf widersprüchlichen Vortrag der Klägerin hingewiesen. So wurde der Klägerin unstreitig der Request nach A vom 06. März 2009 bis 08. März 2009 gewährt und im Anschluss daran eine Ruhezeit eingehalten, die vor dem danach genehmigten Urlaub endete. Das Arbeitsgericht hat ferner zu Recht Zweifel an der Mitbestimmungswidrigkeit der Maßnahme geäußert. § 77 des Tarifvertrages Personalvertretung für das Bordpersonal vom 15. November 1972 (TV PV) enthält kein Mitbestimmungsrecht in Arbeitszeitfragen oder bezüglich der Ruhezeiten, sondern verweist auf den Tarifvertrag Bordpersonal, der für das Kabinenpersonal durch den MTV Nr. 1 a abgelöst wurde. Nach § 4, 8. Abschnitt MTV Nr. 1 a hat die Personalvertretung mitzubestimmen bei der Feststellung der Umlaufpläne des Kabinenpersonals. Dies ist erfolgt. Feststellung der Umlaufpläne umfasst nicht die nach Abschluss eines Umlaufs einzuhaltende Ruhezeit. Um diese geht es vorliegend und nicht etwa um eine während des Umlaufs einzuhaltende Ruhezeit. Die zwischen zwei Umläufen einzuhaltenden Ruhezeiten betreffen aber die mitbestimmungsfreie Einsatzplanung und nicht die Feststellung der Umlaufpläne. Selbst wenn dies der Fall wäre, wären die einzuhaltenden Ruhezeiten, für die im Übrigen tarifvertragliche und gesetzliche Regelungen bestehen, eingehalten. Dass sich ein etwaiges Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung darüber hinaus dann auch noch auf die Rechtsfrage erstrecken könnte, ob Ruhezeiten auch durch Urlaubsgewährung eingehalten werden, ist nicht ersichtlich. Unabhängig davon hat das Arbeitsgericht aber schließlich auch zu Recht darauf abgestellt, dass ein etwaiger Verstoß gegen § 106 GewO und/oder gegen Mitbestimmungsrechte der Personalvertretung ggf. zu einer Unwirksamkeit einer Maßnahme im Einzelfall führen könnte, nicht jedoch zu einem mit dem Klageantrag verfolgten allgemeinem und generellen Verbot, Ruhezeiten durch Urlaubsgewährung einzuhalten.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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Für die Zulassung der Revision besteht kein Grund i. S. d. § 72 Abs. 2 ArbGG.

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